Der Alltag für ein Kind mit UEMF

von Angela Nacke
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Die Leitlinie für die umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen gibt vor, wann die Diagnose einer UEMF gestellt werden kann. Das diagnostizierte Defizit in der Motorik muss zu einer Beeinträchtigung der für das Alter des Kindes relevanten Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) führen. Das kann die wichtigen Lebensbereiche, wie z.B. Selbstversorgung und eigene Pflege oder auch Mobilität betreffen. (Vgl. Blank et al., 2019)

Wann muss ein Kind was können?

Doch was sind die für das jeweilige Alter relevanten ADLs eines Kindes? Wann muss sich z.B. ein Kind selbständig an- und ausziehen, duschen, sich die Zähne putzen können? 

Die Beantwortung dieser Fragen ist gar nicht so einfach, denn die Durchführung von Aktivitäten des täglichen Lebens ist von mehreren Faktoren abhängig. Es muss berücksichtigt werden, dass die individuellen Fähigkeiten des jeweiligen Kindes sehr unterschiedlich sind. Die jeweilige Aufgabe stellt sehr spezifische Anforderungen, z.B. ist das Duschen bedeutend einfacher als das gründliche Zähneputzen. Es muss aber auch der Kontext berücksichtigt werden und dies einerseits physisch aber auch soziokulturell. (Vgl. Summers, Larkin, Dewey, 2008)

Summer et al. (2008) berücksichtigten diese Faktoren in einer Studie, wählten darum ein qualitatives Forschungsdesign für ihre Untersuchung und bestimmten eine klar definierte Gruppe von Kindern bzw. Eltern. Es wurden zwei Altersgruppen gebildet und zwar 5- bis 7jährige und 8- bis 9jährige Kinder. Verglichen wurden Kindern, mit einer normalen motorischen Entwicklung mit Kinder mit einer UEMF.
 

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Selbstversorgung

Zusammenfassend zeigt sich, dass Kinder mit einer UEMF Schwierigkeiten beim An- und Ausziehen haben. Sie sind langsamer, haben Schwierigkeiten in der räumlichen Orientierung (Knöpfe sind im falschen Loch, Kleidungsstücke und im Besonderen Socken werden verdreht, Schuhe befinden sich auf dem falschen Fuss). Im Zusammenhang mit dem An- und Ausziehen sind die von den Kindern entwickelten Coping-Strategien interessant. Einige Kinder behalten z. B. in der Schule im Klassenzimmer ihre Jacke an oder gehen bereits mit den angezogenen Kleidungsstücken ins Bett, die sie am nächsten Tag zur Schule tragen werden. Viele der Kinder mit UEMF brauchen von ihren Eltern verbale und physische Unterstützung beim An- und Ausziehen. Häufig wird auch die Kleidung so ausgewählt, dass sich die Kleidungsstücke leicht an- und ausziehen lassen (Summer et al., 2008).

Bei der Körperpflege bestehen die Schwierigkeiten beim Bedienen des Wasserhahns und somit auch bei der richtigen Einstellung der Wassertemperatur. Mühe macht das Abtrocknen nach dem Duschen oder Baden, das Aufbringen von Zahnpasta auf die Zahnbürste und das Zähneputzen selber (Summer et al., 2008).

Beim Essen macht der Umgang mit Besteck Schwierigkeiten, vor allem der Gebrauch des Messers. Einige Kinder verzichten darum auf Besteck und essen stattdessen mit den Händen. Insgesamt brauchen Kinder mit einer UEMF zur Bewältigung einer Mahlzeit mehr Zeit. Es passieren mehr Missgeschicke beim Essen (kleckern, verschütten), zudem sind die Kinder häufig unruhig auf dem Stuhl und haben Schwierigkeiten ihren Körper optimal auszurichten (Summer et al., 2008). 

Für die Eltern sind es vor allem die motorischen Koordinationsschwierigkeiten und die mangelhafte Haltungskontrolle, die ihrer Meinung nach zur Beeinträchtigung in der Bewältigung der ADLs führen. Die Untersuchung der Autorinnen zeigt, dass viele Eltern bzw. ihre Kinder über Copingstrategien verfügen und die Anforderungen des täglichen Lebens mehr oder weniger mit diesen Strategien gemeistert werden (Summer et al., 2008).

Mehr zum Thema Strategien bei der Bewältigung von Alltagsproblemen gibt es in unserem Kurs zum Thema "Vom Eigensinn der Dinge - Ergotherapeutische Interventionen bei Alltagsproblemen". Zum Kurs geht es hier.

Literatur

Blank, Rainer; Barnett, Anna L.; Cairney, John; Green, Dido; Kirby, Amanda; Polatajko, Helene et al. (2019): International clinical practice recommendations on the definition, diagnosis, assessment, intervention, and psychosocial aspects of developmental coordination disorder. In: Developmental medicine and child neurology 61 (3), S. 242–285. 

Summers, Janet; Larkin, Dawne; Dewey, Deborah (2008): Activities of daily living in children with developmental coordination disorder: dressing, personal hygiene, and eating skills. In: Human movement science 27 (2), S. 215–229. 



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