Zum Welt-Physiotherapie-Tag am 08. September möchten wir den Blick auf einen Fachbereich richten, der oft eher im Schatten steht, aber von großer Bedeutung ist: die pädiatrische Physiotherapie. Sie begleitet Früh- und Neugeborene sowie Kinder und Jugendliche mit ganz unterschiedlichen Diagnosen – von Adipositas über motorische Entwicklungsverzögerungen bis hin zu Zerebralparese. Wir haben mit unserer Kinderphysiotherapeutin, Marina Hamberg, gesprochen und sie gefragt, welche Herausforderungen die Arbeit mit so jungen Patient:innen mit sich bringt – und was ihr daran besonders gefällt.
Marina, wieso hast du dich damals für den Fachbereich Pädiatrie entschieden?
Bereits während meiner Studienzeit habe ich zwei von drei Praktika mit Kindern absolviert. Für mich war schnell klar: Das will ich! Die jüngste Generation interessiert mich besonders und ich finde es faszinierend, die individuelle Entwicklung eines Kindes beobachten zu können.
Was sind besondere Herausforderungen beim Therapieren von Kindern?
Kleine Kinder lassen sich nicht mit rationalen Erklärungen motivieren. Zudem haben sie nur begrenzte Aufmerksamkeitsspannen. Die Therapie muss daher spielerisch, abwechslungsreich und kreativ gestaltet werden – trotzdem dürfen die therapeutischen Ziele nicht aus dem Blick geraten. Dies braucht viel Aufmerksamkeit, Flexibilität und gutes Zeitmanagement meinerseits. Ich muss schnell umdenken und handeln können. Manchmal werden Übungen anders ausgeführt als gedacht oder es braucht kleine Anpassungen, um ein Erfolgserlebnis zu ermöglichen. Und manchmal hat das Kind ganz einfach keine Lust auf das, was ich vorbereitet habe!
Wie erlebst du den Kontakt und die Zusammenarbeit mit den Eltern der Kinder?
Die Elternarbeit ist meiner Meinung nach absolut entscheidend für den Erfolg der Therapie. Die Eltern kennen ihr Kind am besten und sind quasi «Co-Therapeut:innen»! Entsprechend ist es sehr wichtig, dass die Aufklärung, Anleitung und Motivation der Eltern gelingt. Dies ist nicht immer einfach: Unsicherheiten, Überforderung oder unterschiedliche Erwartungen zwischen Eltern, Kindern und Therapeut:innen müssen berücksichtigt und gut ausbalanciert werden.
Bei neurologischen Erkrankungen und/oder genetischen Syndromen verlaufen Entwicklungsprofile sehr individuell und nicht linear. Häufig kann man den Kindern und ihren Eltern daher keine klare langfristige Prognose geben. Das verunsichert die Eltern und ist auch für mich selbst nicht leicht auszuhalten. Kinder mit einer Behinderung und ihre Eltern erleben zudem oft viele Frustrationen im Alltag, wodurch es für alle Beteiligten herausfordernd sein kann, die Motivation für Therapien und Übungen aufrechtzuerhalten. Hier braucht es von meiner Seite Geduld, Empathie und viel positives Feedback.
Was gefällt dir besonders gut an deiner Arbeit?
Am meisten begeistert mich, wie ehrlich und fröhlich Kinder sind. Sie lassen sich oft schnell für etwas begeistern, denn: Welches Kind spielt und bewegt sich nicht gerne? Wichtig sind für mich individuelle, alltagsnahe Ziele und das Prinzip «so viel Unterstützung wie nötig, aber so wenig wie möglich». Ich möchte, dass die Kinder selbst ausprobieren und entdecken. Wenn sie ihre Fantasie sprudeln lassen und eigene Ideen miteinbringen können, ist ihre Motivation und Selbstwirksamkeit am grössten.
Auch lerne ich selbst viel von den Kindern und ihren Eltern, was ich sehr schätze. Es ist toll, mitzuerleben, wie nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern selbstsicherer werden, mehr Vertrauen gewinnen und stolz sind, wenn die Ziele erreicht werden. Ein Highlight ist, die gemeinsame Freude zu erleben, wenn ein Kind lang ersehnte, aber unerwartete Entwicklungsschritte macht – das schafft ein ganz besonderes Band.