Medizinische Leitlinien
Medizinische Leitlinien sind systematisch entwickelte, wissenschaftlich begründete und praxisorientierte Entscheidungshilfen. Sie zeichnen sich durch ein definiertes, transparentes Vorgehen aus und basieren auf einem erzielten Konsens mehrerer Experten aus verschiedenen Fachbereichen. Leitlinien stellen Orientierungshilfen im Sinne von "Handlungs- und Entscheidungskorridoren" dar. (Vgl. ÄZQ-Portal, 2016)
Leitlinien beinhalten die Diagnostik und Behandlung von Krankheitsbildern. Sie verweisen auf evidenzbasierte Assessments und therapeutische Interventionen. Sie liefern zudem berufspolitische Argumentationshilfen.
Leitlinien basieren grundsätzlich auf Evidenz, dennoch werden diese unterschiedlich qualifiziert. Die Leitlinien der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.) basieren auf vier Entwicklungsstufen:
Bezeichnung | |
S1 | Informeller Konsens und Handlungsempfehlung von Experten |
S2k | Formaler Konsens |
S2e | Systematische Recherche der Evidenz |
S3 | Evidenz und konsensbasierte Leitlinie |
Innerhalb der Leitlinie wird wiederum der jeweilige Grad der Empfehlungen gemäss der Evidenz angegeben. In den untenstehenden Tabellen sind diese Evidenzgrade und die darauf basierenden Empfehlungen aufgeführt:
Evidenzgrade | |
A | Daten aus mehreren randomisierten klinischen Studien oder Meta-Analysen. |
B | Daten aus einer randomisierten Studie oder mehreren grossen nciht randomisierten Studien. |
C | Konsensusmeinung von Experten und/oder kleinen Studien, retrospektiven Studien oder Registern. |
Empfehlungsgrade | |
I | Evidenz und/oder allgemeine Übereinkunft, dass eine Therapieform oder eine diagnostische Massnahme effektiv, nützlich oder heilsam ist. |
II | Widersprüchliche Evidenz und/oder unterschiedliche Meinungen über den Nutzen / die Effektivität einer Therapieform oder einer diagnostischen Massnahme. |
III | Evidenz und/oder allgemeine Übereinkunft, dass eine Therapieform oder eine diagnostische Massnahme nicht effektiv, nicht nützlich oder nicht heilsam ist und im Einzelfall schädlich sein kann. |
Entsprechend dem jeweiligen Evidenz- und Empfehlungsgrad können Praktikerinnen und Praktiker ihre Diagnostik und Intervention ableiten. Wie oben dargestellt muss dabei aber auch die Entwicklungsstufe der entsprechenden Leitlinie berücksichtigt werden.
Leitlinie UEMF
In der UEMF (ICD 10 / F82) Leitlinie finden sich alle relevanten Informationen betreffend Definition, Diagnosekriterien, Untersuchung, Therapieindikation und –planung der umschriebenen Entwicklungsstörung motorischer Funktionen (UEMF).
Wie gesagt, sind diese Leitlinien offiziell «abgelaufen» bzw. in der Überarbeitung. Diese Überarbeitung ist jedoch in der Endphase und eine baldige Publikation ist zu erwarten. Hier geht es direkt zur Homepage der AWMF bzw. zu den Leitlinien UEMF.
Die International clinical practice recommendations on the definition, diagnosis, assessment, intervention, and psychosocial aspects of developmental coordination disorder sind bereits publiziert und hier frei zugänglich.
Literatur
ÄZQ-Portal / Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (2016): Leitliniengrundlagen. Hg. v. Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. Berlin. Online verfügbar unter https://www.leitlinien.de/leitlinien-grundlagen, zuletzt aktualisiert am 12.09.2016, zuletzt geprüft am 15.04.2020.
Becker, H., Blank, R., Jenni, O., Linder-Lucht, M., Polatajko, H., Steiner, F., Geuze, R., Smits-Engelsman, B., Wilson, P., Akhbari-Ziegler, Sch., Buchmann, J., Jagusch-Espei, A., Jenni, O., Linder-Lucht, M., Mall, V., Mundt, A., Oberle, A., Schmid, R., Seeländer, J., Steiner, F., Trillen-Krayenbühl, H., Werthmann, R. (Mitarbeiter) (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF), Hrsg.). (2011). Deutsch-Schweizerische Versorgungsleitlinie zu Definition, Störungsmechanismen, Untersuchung und Therapie bei Umschriebenen Entwicklungsstörungen Motorischer Funktionen (UEMF)basierend auf internationalen Empfehlungen (EACD-Consensus).
Blank, Rainer; Barnett, Anna L.; Cairney, John; Green, Dido; Kirby, Amanda; Polatajko, Helene et al. (2019): International clinical practice recommendations on the definition, diagnosis, assessment, intervention, and psychosocial aspects of developmental coordination disorder. In: Developmental medicine and child neurology 61 (3), S. 242–285. DOI: 10.1111/dmcn.14132.